2010/03/02

Die Zehntausend Gesichter eines Tages

Ich versuche, wenn es irgendwie geht, täglich wenigstens eine Zeitung zu lesen. Dabei öffnen sich jedesmal so viele neue Wissens-Fenster, dass sich neben der Begeisterung über das 'Neue' die Frage stellt, was man mit all diesen Informationen anfangen kann. Beispiel: Am Montag, den 1.März 2010 wurde ich mit folgenden Beiträgen in einer Zeitung konfrontiert (Auswahl!): (1) Der Unternehmer Max Essl spricht über seine Firma die Baumax AG; ein ungewöhnlicher Typ mit ungewöhnlichen Methoden, um seine Firma und (!) seine Mitarbeiter zum Erfolg zu führen. (2) Anläßlich des Berichtes The State of Food and Agriculture der FAO reflektiert ein Tobias Piller über die Frage, ob weniger Fleischverzehr in Deutschland das Nahrungsangebot insgesamt erhöhen würde (weil Fleisch bekanntlich weniger Eiweis liefert als zu seiner Erzeugung notwendig ist). Eine wissenschaftliche Betrachtung der komplexen Zusammenhänge macht deutlich, dass unser Fleichverzicht nicht auf jeden Fall zu einer Verbesserung der Situation führen würde; dafür sind die Wechselbeziehung in unserer Welt mittlerweile zu komplex. (3) Daneben Berichte von Josef Oehrlein über aktuelle Sturmtiefs (Xynthia) mit ihren Verwüstungen über Europa und das verheerende Erbeben (8.8 auf der Richterskala) in Chile. Chile liegt auf der südamerkanischen Platte, die an der Küste von Chile auf eine andere Platte trifft. Beide bewegen sich mit 8 cm pro Jahr aufeinander zu, wobei die Platte, die aus dem Pazifik kommt, sich aufgrund ihres höheren spezifischen Gewichtes unter die südamerikanische Platte schiebt. Die daraus entstehenden Spannungen entladen sich alle paar Jahrzehnte mit grosser Wucht, wie jetzt 2010. (4) Zwischendrin ein langer Bericht von Martin Wittmann über das Klostergymnasium Ettal (und darin auch über die Klostergymnasien in Ottilien, Augsburg, Schäftlarn) anlässlich bekanntgewordene Missbrauchsfälle. Vieles davon liegt lange zurück und ist verglichen mit anderen Missbrauchsfällen nicht unbedingt 'schlimmer'; erschreckend jedoch, wie hier Erziehungseinrichtungen vielfach versucht haben, solche für Kinder und Jugendliche furchtbaren Vorgänge zu vertuschen. Der daraus resultierende Vertrauensverfall ist für all die vielen verheerend, die redlich und engagiert ihre Arbeit gemacht haben und nun automatisch mit unter Generalverdacht fallen. (5) In einem anderen Artikel wird von Stefan Tomik ein Schlaglicht auf die innere Situation eines grossen europäischen Providers geworfen: der enorme technische Aufwand, der hier allein wegen der Sicherheit getrieben wird; beispielhaft wird anhand der vielfältigen gesetzlichen Anforderungen geschildert, was dies für solch ein Unternehmen konkret bedeutet.

Wenn man diese --und letztlich noch viele andere-- Artikel gelesen hat (an einem Tag), was sagt das über unsere Welt? Was kann man daraus lernen? Was folgt daraus für das Menschenbild? Was bedeutet dies für die Dynamik unser Zivilisation? Sind hier irgendwelche Wertesysteme erkennbar? Muss ich mein Handeln ändern? Läßt sich daraus etwas, über die Zukunft entnehmen? Man kann vielleicht ahnen, dass das, was wir Welt nennen offensichtlich ein sehr komplexes Phänomen 'hinter' all diesen bzw. 'in' all diesen Ereignissen ist, das zu erfassen ein Tag überhaupt nicht reicht. Aber wieviele Tage braucht man, um die Welt zu verstehen? Kann ein einzelner Mensch überhaupt die Welt verstehen? Können mehrere Menschen zusammen die Welt verstehen? Oder sind wir zum 'blinden', 'zufälligen' Agitieren verdammt?

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