2010/03/24

Grüner Bildungskongress 21.Maerz 2010

BILDUNGSKONGRESS

Am Sonntag, den 21.März 2010, habe ich erstmalig an einer parteipolitischen Veranstaltung teilgenommen (...es gibt das Wort vom 'Spätentwickler'), nämlich dem Bildungskongress der Grünen in Gelsenkirchen (URL: www.gruene.de/einzelansicht/artikel/gruener-bildungskongress-in-gelsenkirchen.html). Gleich vorweg, was es nicht war, es war kein wissenschaftlicher Kongress, aber es war auch keine Wahlkampfveranstaltung. Letzteres hätte nahe gelegen, da in NRW ja gerade die heiße Phase des Landeswahlkampfes angebrochen ist und die Spitzenkandidatin der Grünen, Sylvia Löhrmann, den Bildungskongress leitete (ich fand: sehr souverän). Wenngleich die Nähe zum Wahlkampf in den verschiedenen Beiträgen und Kommentaren natürlich hier und da kurz aufblitzte, ging es doch --erfreulicherweise-- primär und vor allem um die Sache: Bildung in Deutschland.

PRAXIS IM VORDERGRUND

Die Bühne wurde fast ausschließlich beherrscht von 'Praktikern', Menschen unterschiedlichster Couleur, die direkt mit Bildung --Kindergarten, diversen Schultypen, Lehrerausbildung...-- zu tun haben, und dies nicht erst seit gestern. Dies war absolut wohltuend und aufschlussreich. Wenn man auch bei einzelnen, wie z.B. dem geradezu charismatischen Keynote Speaker Peter Fratton (Pädagoge und Schulgründer aus der Schweiz), bisweilen ein bisschen wissenschaftliche Reflexion hinzufügen möchte, so waren diese erfahrungsbasierten Beiträge aber 'Gold' wert verglichen mit so vielen praxisfremden Verordnungen und Gesetzen, mit denen die Schulbürokratie allenthalben das Bildungssystem eher dämpft als belebt.

SCHULSYSTEME UND KINDERGARTEN

Bis auf einen Arbeitskreis am Nachmittag kamen die Hochschulen bei diesem Bildungskongress nicht vor. Als Mitglied einer Hochschule empfand ich das zwar als ein wenig 'dünn', aber ich konnte eine Menge lernen über die Probleme und Perspektiven der anderen Bereich. Neben vielen sehr erfolgreichen Beispielen neuer Lösungsansätze im Schulbereich kamen aber überall die noch immer bestehenden großen Probleme klar zur Sprache. Das deutsche Bildungssystem als eine Art 'Kastensystem', mit dem es nicht nur den internationalen Vorgaben der UNESCO direkt widerspricht, sondern im internationalen Vergleich sehr schlecht abschneidet, die noch immer viel zu geringe Unterstützung der Kinder in schwachen sozialen Milieus oder in migrationsgeprägten Kontexten, ganz zu schweigen von der mangelnden Unterstützung berufstätiger Frauen (und Männer!). Trotz aller Sonntagsreden der Politiker ist Deutschland hier noch immer ganz schlecht aufgestellt, obgleich jeder doch bekennt, unser einziger Rohstoff sei die Bildung. Erschreckender ist auch die Tatsache, dass zwar nach mehr und besserer Bildung gerufen wird, zugleich aber die Lehrerausbildung regelrecht demontiert und verschlechtert wird (zumindest nach Aussagen von Professoren, die seit Jahrzehnten in der Lehrerausbildung tätig sind).

AK HOCHSCHULE - Mehr Kritik als Visionen

Der einzige Arbeitskreis zu den Hochschulen war erfreulicherweise von vielen jungen Menschen --überwiegend Studierenden-- besucht. Sein Initiator, der Sprecher der Bundestagsfraktion der Grünen für Jugend, Generationen und Hochschulfragen, Kai Gehring, wirkte sehr offen und sachlich. Anregend war auch der Impulsreferent Prof. Dobischat (Präsident des deutschen Studentenwerkes), der seit Jahrzehnten in der Hochschulpolitik aktiv ist. Natürlich wurden die bekannten Mängel des Bologna-Prozesses thematisiert ('zu viel Stoff in zu wenig Zeit', 'Inkompatibilitäten zwischen den nationalen Systemen') oder unsinnige Studiersituation wie z.B. 'ein Prof für 1000 Studierende'. Wichtig waren aber auch Signale, die deutlich machten, dass die Hochschule als Ort der weiteren Einübung in die Demokratie massiv weiter demontiert wird: z.B. allenthalben weitere Schwächung bzw. Abschaffung von demokratischen Strukturen, keine Anerkennung des z.T. sehr hohen ehrenamtlichen Engagements von Studierenden in den Hochschulen (d.h. demokratisches Engagement wird geradezu bestraft!). Entsprechend auch die in den Bundesländern zu beobachtende Tendenz, unter dem irreführenden Titel 'mehr Freiheit für die Hochschulen' die 'Entmachtung' der demokratischen Selbstverwaltungsorgane voranzutreiben und stattdessen den Hochschulrat zu stärken, der von 'außen' besetzt wird mit hochschulfremden Personen, die dann --salopp formuliert-- den 'Experten' in den Hochschulen sagen, was sie zu tun haben (übertragen wäre das das Gleiche, als wenn man z.B. der CDU verordnen würde, dass Politiker von den Grünen und der SPD künftig als ein 'Rat' fungieren, der die wichtigen Grundlagenentscheidungen für die CDU einfach festsetzt; geradezu absurd. Das aber ist aktuelle Bildungspolitik).


PROFESSOREN

Ein Punkt, der in der bisherigen Diskussion über die Hochschulen weitgehend ausfällt, aber von zentraler Bedeutung sein dürfte, ist die Tatsache, dass man zwar --erfreulicherweise-- ein wenig mehr die Nöte der Studierenden ernst nimmt. Was aber übersehen wird ist, dass die Professoren letztlich im gleichen Boot sitzen: sie werden über die Jahre beständig mit mehr Aufgaben belastet und statt dass man die unterstützenden Infrastrukturen verbessert, werden diese eher geschwächt (was nützt es, wenn einerseits Exzellenzinitiativen neu vergeben werden, woanders aber dafür mehr Geld abgezogen wird; was nützt es, mehr Engagement über Drittmittel zu erzwingen, gleichzeitig aber die Rahmenbedingungen für den Drittmittelerwerb so knapp zu halten, dass max. 6-9% der Forschungsaktivitäten überhaupt nur zur Förderung zugelassen werden, dazu noch einen Deckel für jede Hochschule, egal wie groß oder klein), usw. Diese Liste ließe sich beliebig verlängern. Typisch auch: während man jetzt über 'Mängel' bei der Umsetzung des Bologna-Prozesses spricht, vergisst man zu erwähnen, dass die gleichen Professoren, die das 'alte' System über mehrere Jahre weiterführen mussten (das man es ja nicht einfach auslaufen lassen konnte) ohne zusätzlichen Mittel und mit nicht mehr Zeit das komplette neue System parallel (!) zur alten Arbeit ausarbeiten und einführen mussten. Rein rechnerisch war das eigentlich unmöglich. Aber die Professoren haben dies weitgehend sehr gut geschafft. Davon hört man nicht viel, geradezu nichts...

Also, Resümee, ich bin positiv angeregt und motiviert wieder nach Hause gefahren.

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