2011/04/26

ÖKOLOGISCHE KERNENERGIE

EINE AUFGEHEIZTE DEBATTE

In Deutschland war die Debatte um Atomkraft, um friedliche Nutzung von Kernenergie, schon seit Jahrzehnten immer mehr als nur eine sachliche Diskussion. Und mit Fukushima ist diese Debatte in einem Masse eskaliert, die in der öffentlichen Meinung, in den Medien, ja in der Politik, schon nach wenigen Tagen und Wochen tiefe Spuren hinterlässt. Dass Parteien wie die CDU und FDP, die noch vor kurzem den Atomausstieg verlängert haben, nun mit einem Mal in der Öffentlichkeit um den Eindruck bemüht sind, sie wollen jetzt doch aussteigen, so schnell wie möglich, ist als Ausdruck von Kehrtwende kaum noch zu überbieten. Es ist, als ob über Nacht ein ganzes Land nur noch eines will: weg von einer bestimmten Form von Atomtechnologie. Mahnende Stimmen scheinen ungehört zu verklingen. Doch geht es bei der Frage des Umgangs mit Kerntechnologie nicht einfach bloß um ein Nein zu einer konkreten Form von Atomtechnik mit gefährlichem Restrisiko und ungelöster Entsorgung, nicht einmal nur um die damit eventuell steigenden Energiekosten oder befürchteten partiellen Energieengpässen. Nein, es geht vielmehr um die sehr grundsätzliche Frage, wieweit wir überhaupt ethisch ein Recht haben, in einer zentralen Frage des Überlebens der Menschheit ein generelles Denkverbot zu erteilen, dessen mögliche verheerenden Folgen nicht wir ausbaden, sondern die zukünftigen Generationen, die darauf vertrauen, dass wir alles richtig machen.

UMWERTUNG DER WERTE

Bislang werden die zukünftigen Generationen in der Diskussion immer bemüht als Argument für eine schnelle Abschaltung riskanter Kraftwerke, da diese zukünftige Generationen, sollte der Ernstfall eintreten, über Jahrhunderte oder gar Jahrtausende unter den Folgen leiden müssten, einschließlich der ungelösten Entsorgungsproblematik. Diesem Nein soll hier auch nicht widersprochen werden: für das biologische Leben nachweislich hochriskante Technologien gehören grundsätzlich geächtet, dürfen nicht geduldet werden. Der Denkfehler liegt aber darin, von einer bestimmten konkreten Ausformung einer Technologie, die objektive Mängel aufweist, darauf zu schließen, dass der Ansatz einer Nutzung von Kernenergie grundsätzlich unmöglich und unerwünscht sei und man nicht nur eine entsprechende Forschung zu diesem Thema einstellen möchte, sondern alles zu tun scheint, dieses Thema geradezu zu ächten; schon wer darüber spricht wird verdächtig. Hier berühren wir eine zutiefst ethische Fragestellung, die keinesfalls tagespolitischen Kalkülen und taktischen Spielchen geopfert werden darf.


GRÜNER ALS GRÜN?

Ein anerkannter Wortführer in der Kritik an der bisherigen Atomtechnik ist das Bündnis90/Die Grünen. Nicht erst im Berliner Programm von 2002 versteht sich das Bündnis90/Die Grünen von Grund auf als 'ökologische' Partei, die das Prinzip der Kongruenz mit den natürlichen Grundlagen konsequent für alle Bereiche zu denken und handlungsmäßig umzusetzen versucht. Auffällig ist allerdings, dass die Frage der Kerntechnologie nicht -- wie viele der anderen Themen -- im Rahmen einer ökologischen Analyse grundsätzlich und nachhaltig behandelt wird, sondern sondern nur mit einer ad hoc Bezugnahme auf die konkrete zeitliche Ausprägung von einer Atomtechnologie, wie sie in den Jahren vor 2002 bekannt war. Diese Argumentationsweise steht in einiger Spannung zu dem grundlegenden Faktum, dass die Natur -- soweit wir heute wissen -- primär Energie ist, in unterschiedlichsten Zustandsformen, letztlich in permanenter Umformung von Energie begriffen ist.

Insbesondere gilt: Das Leben auf dieser Erde mit speziell uns Menschen als homo sapiens sapiens gibt es nur, weil das Leben seit mehr als 3 Milliarden Jahren jedes (!) erdenkliche Experiment unternommen hat, um Leben in möglichst allen Winkeln dieses Planeten zu ermöglichen. Angesichts der allgegenwärtigen Ungewissheit jedes Lebenszeitpunktes, nicht zu wissen, was noch alles an Herausforderungen kommen wird, ist dies die einzig mögliche Strategie. Und die z.T. dramatischen Verlusten an biologischen Arten (Schätzungen sprechen für bestimmte Phasen des Lebens auf der Erde von 60 - 90%) aufgrund von Vorgängen auf der Erde konnte dann deswegen (bisher) verkraftet werden, weil das Leben sich aufgrund seiner offensiven Strategie zu allen Zeitpunkten immer 'in alle kombinatorisch mögliche' Richtungen ausgebreitet hatte. Dies ist das oberste Prinzip des ganzen Lebens. Wie können wir als ferne Abkömmlinge und Nutznießer dieses 'Überflußprinzips' es dann wagen, diesem fundamentalen Prinzip dadurch zu widersprechen, dass wir Denkverbot erteilen, was gedacht und geforscht werden darf und was nicht? Woher haben einzelne unserer Politiker plötzlich die 'höhere Weisheit', die es ihnen ermöglicht, soweit in die Zukunft zu schauen, dass wir darauf verzichten können, das fundamentale Prinzip von Energie überhaupt nicht erforschen zu müssen? Alles verfügbare Wissen und das fundamentale Prinzip des Lebens spricht gegen solch ein Denkverbot.

Grün im vollen Sinne -- und d.h. ökologisch im vollen Sinne -- würde bedeuten, dass man die ökologische Verfehlung der missglückten Atomenergie dahingehend korrigiert, dass man sich dem 'vollen Potential der Kerntechnik' zuwendet, jenem, das das Herz, die 'Seele' der gesamten Natur (!) bildet, und man das gesamte heute -- und zukünftig!-- verfügbares Wissen einbezieht, um dieses Potential als 'ökologische Kerntechnologie' nutzen zu lernen. 'Ökologische Kerntechnologie' meint eine Kerntechnologie ohne jegliches Restrisiko und ohne Entsorgungsprobleme und nicht als Gegensatz zu anderen Energieformen! Möglicherweise brauchen wir mehrere Jahrzehnte, vielleicht ein paar hundert Jahre, bis wir diese Technologie unter Kontrolle haben werden, aber was sind ein paar Jahrzehnte bzw. ein paar Jahrhunderte angesichts der mehr als 3 Milliarden Jahre, die das Leben auf dieser Erde gebraucht hat, bis es den homo sapiens sapiens so geben konnte, wie wir ihn heute erleben? Und was sind ein paar Jahrzehnte wenn wir wissen, dass die Sonne die Erde in ca. 1 Milliarde Jahre in einen ganz und gar lebensfeindlichen Ort verwandeln wird? Es geht eben nicht nur darum, in den Jahren 2011ff mit einer Mehrheit wieder gewählt zu werden, es geht auch darum für den Fortbestand des Lebens aller kommenden Generationen das 'Richtige' zu tun.

PS1: Auf die vielen hier notwendigen technischen Details der unterschiedlichen Energieformen und -technologien hier einzugehen, ist nicht möglich und würde an der grundsätzlichen Argumentation auch nichts ändern.
PS2: Der Verfasser ist selbst Mitglied von Bündnis90/DieGrünen und ein durch und durch 'überzeugter' 'Grüner' im Sinne eines umfassenden ökologischen Ansatzes.

No comments:

Post a Comment